Samstag, 16. Mai 2015

Phytotherapie (Pflanzenmedizin)

... die Phytotherapie oder Pflanzenheilkunde (griechisch: Phyton = Pflanze) ist eine Heilmethode, bei der man pflanzliche Arzneimittel einsetzt. Die Phytotherapie ist die älteste aller Heilkunden. Sie wird von allen Völkern und sogar von Tieren angewandt. So hat man zum Beispiel Schimpansen dabei beobachtet, wie sie bei Durchfall auf bestimmten Pflanzen herumkauen, die sie sonst nicht fressen. Die Pflanzenheilkunde ist ein wichtiger Bestandteil aller traditionellen medizinischen Systeme, zum Beispiel Ayurveda oder die Traditionelle Chinesische Medizin. Bei uns entwickelte sich die Phytotherapie im Laufe der letzten Jahre zu einer wissenschaftlich fundierten Medizinrichtung, die von Ärzten genauso wie von Naturheilpraktikern eingesetzt wird.

Entstehungsgeschichte
Die Anwendung von Heilpflanzen zur Heilung, Kräftigung und Erhaltung der Gesundheit wurde in Europa anfänglich vor allem von den christlichen Mönchen gepflegt. Fast in jedem Kloster legte man einen Kräutergarten an. Aber auch ausserhalb der Klöster lebten viele pflanzenkundige Heiler und Heilerinnen, die mit Hilfe von Blättern, Blüten, Wurzeln und Früchten kranken Menschen zu helfen versuchten. Die Erkenntnisse der Pflanzenheilkundigen ging in die im Mittelalter beginnende «wissenschaftliche» Medizin ein. Seit dieser Zeit wenden auch Ärzte, Apotheker und Drogisten die Pflanzenheilkunde an. Ein berühmter Vertreter der ärztlich eingesetzten Phytotherapie war Paracelsus (1493 - 1541). 
Im letzten Jahrhundert begann eine neue Entwicklung in der Pflanzenheilkunde. Mittels chemischer Arbeitsmethoden begann man, einzelne Wirkstoffe aus den Pflanzen herauszuholen (isolieren). Zum Beispiel wurden aus der giftigen Tollkirsche das Atropin und aus dem roten Fingerhut das Digoxin isoliert. Beide Stoffe kommen auch heute noch in der modernen Medizin zum Einsatz. Durch die chemische Isolierung gewisser Wirkstoffe aus Giftpflanzen konnte man nun auch das frühere Problem der risikoreichen, nicht immer genau bestimmbaren Dosierungsmenge umgehen. Es wurde möglich, die einzelnen Wirkstoffe genau dosiert in Form von Tabletten, Tropfen, Salben oder Ölen abzugeben. Heutzutage kommen die meisten industriell hergestellten Medikamentenwirkstoffe ohne pflanzliche Grundsubstanz zustande. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - erfährt die traditionelle Pflanzenheilkunde in den letzten Jahren wieder vermehrt Beachtung.

Die Heilpflanzen und ihre Wirkstoffe
Früher baute man Heilkräuter selbst an oder sammelte wild wachsende Pflanzen. Sie wurden meistens getrocknet und dienten so bis zur nächsten Ernte als Vorrat. Das Sammeln und Zubereiten von Heilpflanzen benötigt ein fundiertes Wissen, denn je nach Pflanze ist der Wirkstoffgehalt abhängig von der Jahres- oder Tageszeit, während der die «Ernte» erfolgt. Auch muss man genau wissen, ob man von einer Pflanze die Blüten, die Blätter oder die Wurzeln benötigt. Heute werden Heilkräuter meistens in Fachgeschäften als Fertigpräparate oder Kräutermischungen (sogenannte «Arzneidrogen») verkauft.
Nicht jede wildwachsende Pflanze enthält gleich viele Wirkstoffe. Um eine bestimmte Mindestqualität und -konzentration zu garantieren, werden Heilpflanzen für den Handel häufig in speziell kontrollierter Umgebung unter immer gleichen Bedingungen angepflanzt.
Die Palette der verwendeten Pflanzen reicht von «milden» Mitteln wie Pfefferminze oder Kamille bis zu stark wirkenden, zum Teil giftigen Heilpflanzen, die nur unter der Aufsicht des Arztes eingenommen werden sollten. In einer Pflanze sind - im Gegensatz zu den meisten chemisch hergestellten Medikamenten - immer mehrere Wirksubstanzen enthalten. Dies hat Vor- und Nachteile. Die Vertreter der Phytotherapie erklären, dass die sich auf natürliche Weise ergänzenden Wirkstoffe eine Gesamtwirkung erzielen, die den Heilungsprozess stärker begünstigt als die Anwendung von einzelnen Wirkstoffen. Andererseits steigt die Gefahr von Nebenwirkungen, wenn in einem Medikament mehrere Wirkstoffe enthalten sind.
Die wichtigsten Inhaltsstoffe und Wirksubstanzen der Heilpflanzen lassen sich unterteilen in:
-
Bitterstoffe zur Stärkung des Körpers und bei nervlicher Anspannung (zum Beispiel Tausendgüldenkraut, Enzian)
-
Ätherische Öle gegen Infektionskrankheiten (zum Beispiel Thymian, Rosmarin, Pfefferminz)
-
Alkaloide gegen Herzbeschwerden und Schmerzen (zum Beispiel Tollkirsche, Mohn, Chinarinde)
-
Gerbstoffe bei Entzündungen und kleineren Blutungen (zum Beispiel Frauenmantel, Schwarztee, Heidelbeere)
-
Glykoside gegen Herzbeschwerden (zum Beispiel Roter Fingerhut)
-
Saponine gegen Husten und Störungen der Harnwege (zum Beispiel Schlüsselblume, Birkenblätter)
-
Schleimstoffe gegen Entzündungen der Atemwege und des Magen-Darm-Trakts (zum Beispiel Königskerze, Eibisch).

Technik der Phytotherapie
Die Pflanzenheilkunde kennt verschiedene Zubereitungsarten der Heilmittel. Diese können innerlich oder äusserlich angewendet werden.
-
Tee, sowohl zum Trinken als auch zum Spülen und Gurgeln.
-
Frischsäfte aus frischen Pflanzenteilen zum Einnehmen.
-
Tinkturen. Dabei werden frische Pflanzen zum Beispiel mit Alkohol übergossen und nach mehreren Tagen filtriert. Tinkturen kann man zum Bepinseln von erkrankter Haut oder Schleimhaut verwenden.
-
Aufgüsse aus Kräutern zum Inhalieren des Dampfs.
-
Umschläge und Wickel, die mit einem Pflanzenaufguss befeuchtet werden.
-
Fertigarzneimittel, zum Beispiel aus Trockenextrakten einer Pflanze in Form einer Tablette. 

Pflanzliche Heilmittel werden oft zur Unterstützung anderer Therapieformen abgegeben. Deshalb werden sie sowohl von Ärzten, Naturheilpraktikern und Therapeuten verschiedener Heilmethoden empfohlen.

Wie kann die Phytotherapie eingesetzt werden
Man kann sehr viele Beschwerden mit pflanzlichen Mitteln behandeln. Auch zur Vorbeugung von Krankheiten ist die Pflanzenheilkunde geeignet. Leichtere Beschwerden können unter Umständen über kurze Zeit allein mit pflanzlichen Produkten behandelt werden, beispielsweise:
-
Erkältungen (Inhalation mit ätherischen Ölen oder Trinken von heilenden Tees)
-
Nervosität (Baldrian oder Hopfenzapfen)
-
kleinere Wunden (Arnika)
-
Verstopfung (Feige)
-
verschiedene Hautprobleme (Eichenrinde)

Bei schweren oder chronischen Erkrankungen sollte man Pflanzenheilmittel erst nach der Abklärung durch den Arzt und mit dessen Einverständnis anwenden. Pflanzliche Heilmittel sind in diesen Fällen zum Beispiel geeignet bei:

- Rheumatischen Beschwerden (Löwenzahn)
- chronischer Bronchitis (Thymian)
- Bluthochdruck (Knoblauch)

Nebenwirkungen / Vorsichtsmaßnahmen
Neben den einen Heilpflanzen, die sich zur Selbstbehandlung eignen, gibt es andere, deren Anwendung fachkundige Beratung erfordert, zum Beispiel weil sie Giftstoffe enthalten. Die Wirkungskraft, aber auch die Gefahr von Nebenwirkungen, wird bei pflanzlichen Heilmitteln oftmals unterschätzt. Deshalb ist es wichtig, sich vor jeder Anwendung genau zu informieren, wie das entsprechende Mittel zubereitet und in welcher Dosierung es eingesetzt werden soll. Auch sind nicht alle Heilpflanzen für Kinder geeignet. Wenn die Behandlung mit pflanzlichen Heilmitteln nichts nützt oder wenn eine Verschlechterung der Beschwerden auftritt, sollte man den Arzt aufsuchen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.